Jahrestreffen der vietnamesischen katholischen Vietnamesen in Borsum

 

 

Wie jedes Jahr im September kommen vietnamesische Katholiken aus dem Bistum Hildesheim und Hamburg nach Borsum, um miteinander das Fest der 117 vietnamesischen Märtyrer zu feiern. Ein frohes Glaubensfest der katholischen Vietnamesen in der Borsumer Pfarrkirche war auch für dieses Dorf ein besonderes Ereignis.

 

In diesem Jahr steht noch ein besonderer Anlass  für das Treffen an, nämlich der 10. Jahrestag des Todes von ihrem hochgeschätzten Kardinal Francois-Xavier Nguyen Van Thuan.

 

Aus vielen Orten Norddeuschlands waren ca. 450 Vietnamesen, danrunter 60 Kinder angereist: von Kiel bis Kassel, eine Distanz über 400 km, außerdem noch von Braunschweig, Hannover, Göttingen, Lüneburg, Hamburg, Cuxhaven, Osterode, Oldenburg, Bremen, Berlin kamen sie mit dem PKW oder mit dem Reisebus in das kleine Dorf Borsum, das mittlerweile die 2. Heimat für Vietnamesen geworden ist.

 

Das Treffen war gleichzeitig ein Wiedersehen vieler Kinder und Gruppenleiter, weil die jährliche Kinderfreizeit in diesem Jahr wegen der Renovierung der Grundschule Borsum Kasper ausgefallen ist.

 

Der große Einzug in die Borsumer Pfarrkirche war festlich und beeindruckte nicht nur, weil er aus drei Priestern und sechzehn Messdienern bestand, sondern auch aus 21 Kindern aus Wedel, die einen wunderschönen liturgischen Tanz zur Verehrung Marias aufführten. Die Mädchen trugen ein langes weißes Gewand und hielten in ihren Händen zwei lange blaue Schleifen. Sie bildeten die Schleifen in einer Formation von M (Maria) und von Sternen.

 

Maria hat in der vietnamesischen Kirche als Mutter Gottes, als Vermittlerin zwischen Gottes Sohn und den Gläubigen eine große Bedeutung. Es gibt in Vietnam in jeder Gemeinde eine Tanzgruppe, die das ganze Jahr über liturgische Tänze einstudieren, um im Mai und Oktober zum Anlass der Marien-Andachten die Tänze in der Gemeinde aufzuführen oder in der Nachbargemeinde an Wettbewerben teilzunehmen. Im asiatischen Raum gehört der Tanz zur Verehrung Gottes, hat also einen religiösen Charakter.

 

Nach dem liturgischen Tanz gedachten die Gläubigen in Stille des Kardinals Francois-Xavier Nguyen Van Thuan. Vor genau 20 Jahren war er in der St. Martinus-Kirche und hielt zur Primiz von Pastor Paul Pham Van Tuan am 14.6.1992 die Predigt. Viele der damals Anwesenden können sich noch heute an seine Stimme erinnern.

 

Die vietnamesische Kirche ist eine junge Kirche, die von dem starken Glauben lebt, der seit ihrer Gründung durch 400 Jahre hindurch gewachsen und beständig geblieben ist. Charismatische Geistliche wie Kardinal Van Thuan haben sie nachhaltig geprägt. Dieser hat sich trotz äußerst schwerer Verfolgungen durch den Kommunismus nicht von seinem Glauben abbringen lassen. Dreizehn Jahre saß er im Gefängnis, neun davon verbrachte er in Isolationshaft in Zellen ohne jegliches Tageslicht – und blieb dennoch ein treuer Zeuge des Glaubens und ein guter Hirt seiner bedrängten Herde. Seit 1991 lebte er im erzwungenen Exil in Rom.

 

Kardinal Van Thuan wurde weltweit bekannt durch das Buch „Hoffnung, die uns trägt“, in denen die Fastenexertitien abgedruckt sind, die er im Jubiläumsjahr 2000 für Papst Johannes Paul II und die römische Kurie gehalten hat. Darin erzählt er von seinem persönlichen Schicksal und dem tiefem Glauben, der ihn in all seinen Leiden getragen hat. Am 16. September 2002 erlag Kardinal Van Thuan in Rom seinem Krebsleiden. Er starb im Alter von 74 Jahren.

 

Kardinal Van Thuan ist ein Fürsprecher seines Volkes am Throne Gottes: sowohl seines Volkes in seinem Heimatland als auch aller Vietnamesen, die verstreut in vielen Erdteilen und Ländern leben. Im Gottesdienst zum Jahrestreffen wurde natürlich auch für einen positiven Verlauf des Seligsprechungsverfahrens gebetet, der im Jahr 2010 eröffnet wurde.

 

Vor seiner Reise nach Vietnam bestätigte der Vizekanzler Philipp Rösler die schwierige Lage der Kirche in Vietnam in einem Interview mit dem „Spiegel“. Da in Vietnam  nach wie vor die Kommunisten mit einem Einparteiensystem herrschen, wurde er gefragt, ob es ihm bei seiner Reise auch um die Achtung der Menschenrechte gehe. Rösler antwortete: „Ich bin im Zentralkomitee der Katholiken engagiert, deshalb war es mir auch wichtig, Vertreter der katholischen Kirche zu einem Empfang (am 18.9.2012) in die deutsche Botschaft in Hanoi einzuladen. Katholiken haben es nach wie vor schwer in Vietnam. Insofern ist das ein klares Bekenntnis meinerseits“.

 

In seiner Predigt veranschaulichte Pastor Paul Pham die Grausamkeiten der damaligen Kaiser gegenüber den Gläubigen in den Anfängen der vietnamesischen Kirche. 130.000 Christen wurden wegen ihres Glaubens gefangen genommen, eingekerkert, gefoltert, geköpft und getötet. Sie wurden mit allen Mitteln gezwungen, sich von ihrem Glauben loszusagen. Doch die Märtyrer der vietnamesischen Kirche haben sind in ihrer christlichen Überzeugung standhaft geblieben.

 

Mit dem Gottesdienst und im Gebet pflegen die katholischen Vietnamesen ihre Gemeinschaft in der neuen Heimat. Vielen heute älteren Menschen fiel das Leben in der Zerstreuung und einer fremden Kultur nicht leicht und war mit persönlichen Schmerzen verbunden, die noch heute nachwirken. Der große Zusammenhalt untereinander und ihr unbändiger Fleiß haben ihnen geholfen, einen neuen Anfang zu wagen und in die Zukunft zu blicken. Einst kamen sie als Bootsflüchtlinge mit so gut wie nichts hier an. Was sie hatten, war einzig ihr tiefes Gottvertrauen. Diesen Glauben feierten sie nun mit allen in einem sehr frohen Gottesdienst. Besonders der große Chor der Vietnamesen aus dem Raum Hamburg und Wedel sang zur Ehre Gottes und auch zur Freude aller Gläubigen.

 

Nach dem Gottesdienst versammelte sich die Gemeinde auf dem Schulhof der Grundschule Borsum Kasper. Hier gab es ein buntes Programm mit Gesängen und Tänzen. Ein besonderes Ereignis war die Versteigerung von zwei Tabletts mit Obst, mit der Geld für das Seligsprechungsverfahren des verstorbenen Kardinal Van Thuan gesammelt wurde. In drei Versteigerungsrunden kamen insgesamt 250 Euro zusammen. Das Obst wurde nach der Versteigerung unter allen verteilt – als Ausdruck dafür, den Segen Gottes miteinander zu teilen. Auch die Kollekte in der Kirche, die 691 Euro ergab, war für denselben Zweck zugestimmt.

 

Am Nachmittag klang das Jahrestreffen aus. Bei aller Wehmut des Abschieds wird es im nächsten Jahr ein Wiedersehen geben. Denn im Mai 2013 wird der Vorgänger von Pastor Paul Pham, Pastor Joseph Diem, sein 40. Priesterjubiläum in Borsum feiern – an dem Ort, an dem er die Vietnamesen vor 32 Jahren  in den ersten Tagen in Deutschland zu sich nach Borsum holte, um sie in den ersten Tagen in der Fremde in ihrem Glauben zu stärken.

 

Ein Fest des Glaubens ist vorbei, aber die Atmosphäre dieses Festes wird bei vielen noch lange in Erinnerung bleiben.

 

(Harsumer Lokale Zeitung – 10.2012)